LOVE

Die Serie LOVE ist eigentlich nichts Neues. Männlein und Weiblein, so völlig unterschiedlich und doch so gleich, treffen sich, verlieben sich – natürlich mit ein paar Hindernissen. Sie versuchen eine ernsthafte Beziehung aufzubauen, so richtig gelingen mag ihnen das anfangs aber nicht. Peinliche Gespräche und eine Situationskomik bleiben in einigen Phasen ihrer Liebesgeschichte nicht aus. Eben das ist es, was die Serie dann doch „anders“ macht. Sie erzählt von der Umständlichkeit der Menschen, die sich oftmals das Leben schwieriger gestalten als es eigentlich ist. Manchmal ist es sogar schmerzhaft, dabei zuzusehen.

Gus

Gus Cruikshank ist ein echt netter und liebenswürdiger Mittdreißiger, durchschnittliches Aussehen, verdient seine Kohle als Hauslehrer am Set der erfolgreichen Serie „Wichita“. Sein beruflicher Lebensweg ist noch nicht richtig von Erfolg gekrönt – so gerne würde er doch selbst als Produzent eines Filmes berühmt werden. Aber selbst seine blutjungen Schüler, besonders die Teenagerin und Hauptdarstellerin von „Wichita“ Arya, sind erfolgreicher als er.

Mit seiner Freundin Natalie läuft immerhin alles recht gut – dachte er zumindest. Die offenbart ihm völlig unverhofft, dass sie ihn betrogen habe. Gus kann es eigentlich nicht fassen, aber um seiner Liebe willen, kann er ihr verzeihen – besser als sie zu verlieren. Hinter der Affäre-Ausrede steckt aber etwas völlig anderes – seine Freundin hat diese nur erfunden, in der Hoffnung, dass Gus die Beziehung beendet. Tut er aber nicht, sondern bringt noch Verständnis auf und versucht die Beziehung zu retten. Das ist zu viel – sie verlässt ihn kurzerhand mi dem Vorwurf, dass er doch sowieso nur fake-nett sei, gar unterschwellig passiv-aggressiv.

Genau das ist es, was Gus charakterlich beschreibt: Er kann sich nicht wirklich durchsetzen und geht unangenehmen Situationen aus dem Weg, auch wenn er dabei den Kürzeren zieht. Ab und an kann er aber auch (ob gewollt oder nicht) ein richtiger Arsch sein.

Mickey

Mickey Dobbs ist vom Typ Mensch eigentlich das genau Gegenteil: gutaussehend, wild, schlagfertig und oft rücksichtslos. Ihrem Job als Programm-Managerin bei einem Radiosender, in der sie den Psychologen Dr. Greg begleitet, geht sie eher rudimentär nach. Lieber raucht sie vor dem Studio mit ihrem Kollegen ein paar Zigaretten, philosophiert über das Leben und lästert über Dr. Greg. Grund dafür ist dessen nichtige Einstellung seines Publikums gegenüber, dem er sowieso nicht mehr recht zuhören will. Die Probleme entsprechen doch nicht dem Niveau, das er sich wünscht, etwas anderes muss her. Gefakte Anrufe stehen an der Tagesordnung. Und Mickey kann das recht gut – Probleme hat sie zuhauf: Sie ist Alkoholikerin, liebes- und sexsüchtig und weiß Menschen mit ihrem Charme für ihre Zwecke zu manipulieren.

Mickey beendet zwischenzeitlich ihre Beziehung zu ihrem Freund Eric, der mit seiner Drogen- und Alkoholsucht ebenfalls etwas abgerutscht ist und tatsächlich immer noch bei Mami Zuhause wohnt. Und nun schafft sie sich auch noch eine Mitbewohnerin an, mit der sie auch erst einmal klar kommen muss. Bertie ist das nett, ländliche Mädchen von nebenan, stammt aus Australien und steht auf korpulente Männer. Nun gut – die Miete will eben auch gezahlt sein.

Gus + Mickey = ?

Wie es das Schicksal will, treffen sich Gus und Mickey eines Tages ganz glamourös an einer Tankstelle, und das auch eher zufällig. Mickey bestellt sich völlig verkatert einen Kaffee und stellt anschließend fest, dass sie ihr Geld Zuhause vergessen hat. Sie will unbedingt das braune Gesöff, ohne das sie den Morgen nicht übersteht und signalisiert dem Kassierer, dass sie diesen später bezahlt, sonst droht die Situation zu eskalieren. Gus erlebt die Szene aus nächster Nähe und schreitet ein. Netterweise bietet er an, die Kosten zu übernehmen. Frech wie Mickey nun mal ist, ergreift sie die Chance und bestellt noch eine Schachtel Zigaretten dazu. Gus wehrt sich nicht und bezahlt ohne Umschweife.

Mickey bedankt sich nicht etwa, möchte Gus den schuldigen Betrag aber gerne so schnell wie möglich zurückgeben. Was ein Zufall, dass sich ihre Wohnung direkt um die Ecke befindet und Gus sich auf den kleinen Spaziergang einlässt. So erhält er unverhofft Einblick in Mickeys chaotische Lebens- und Gedankenwelt – die beiden finden Gefallen aneinander und verbringen einen spontan lustigen Nachmittag zusammen.

Für Gus ein völlig neues Lebensgefühl, sich mit einer so offenbar starken Persönlichkeit konfrontiert zu sehen, da kann er noch etwas lernen. Zum Beispiel, wie man einen Joint richtig raucht und genießt. Euphorisiert endet der Trip im Vorgarten seiner Ex, die das Auftauchen mit einer völlig Fremden nicht sehr lustig findet. Aber so hat er wenigstens Gelegenheit seine Blue Ray-Sammlung direkt mitzunehmen, die er noch in der alten Wohnung stehen hat. Die schmeißt er wütend und enttäuscht auf der Fahrt nach Hause einfach aus dem Autofenster – lauthals mit Geschrei „Alles nur Lügen“, das scheinbar befreit. Anspielung auf die Lüge namens „Liebe“?

Mickey nimmt Gus als „einen netten, nerdigen Typ von nebenan“ wahr – den sollte sie sich zur Abwechslung auch einmal suchen.

Der Trailer zur Serie

Wie ist’s?

Auf jeden Fall unterhaltsam. Bei der Serie geht es eigentlich gar nicht im die Liebesbeziehung an sich, sondern darum sie zu führen. Was steht einem Paar im Wege? Was ist man selbst bereit aufzugeben? Wie lernt man sich kennen und fasst Vertrauen? Wie können zwei so unterschiedliche Charaktere zusammenfinden und eine „echte“ erwachsene Beziehung aufbauen? Das alles sind Fragen, die sich Mickey und Gus doch oft stellen und stetig Angst haben, erneut verletzt zu werden oder selbst etwas falsch zu machen. Das Paradoxon der großen Liebe, wenn sie es denn ist, das zu häufigen Missverständnissen führt und die ein oder andere Überraschung parat hält.

LOVE ist schonungslos, melancholisch, lustig zugleich und startet den Versuch ein ehrliches Portrait einer neumodischen Beziehung zu skizzieren, die doch eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.

Gus wird gespielt von Paul Rust, einem Nachwuchsschauspieler, Comedian und tatsächlich Drehbuchautor, der das echt gut kann. Er wirkt ab und an neurotisch, zwanghaft nett, aber gewillt aus seinen Mustern auszubrechen und die passive Aggressivität auch mal rauszulassen. Die Figur verkörpert er glaubhaft, mag wohlmöglich auch daran liegen, dass er die Idee zur Serie mitentwickelte und als Produzent auftritt. Kann sich sehen lassen.